Schamanismus, was ist das?

Schamanismus gilt als das älteste „Heil- und Gesellschaftskonzept“ dieser Erde und wird archäologisch auf bis zu 30.000 Jahre zurückdatiert, könnte aber seit der Menschwerdung eine wesentliche Rolle spielen. Schamanismus beschreibt Methoden und Techniken, die der Mensch für sich geschaffen hat, um das Leben und Überleben in der naturnahen Kultur grundlegend zu gestalten – und das seit der Urgeschichte der Menschheit.
Es wird auch heute vielerorts noch gelebt und erfährt derzeit auch in der westlichen Hemisphäre eine Renaissance. Alle Naturvölker kennen und kannten ähnliche Formen der Rituale und Therapien in Verbindung mit Natur, Erde, Sonne, Mond, den vier Himmelsrichtungen, Harmonisierung der Elemente, Geistwesen (Ahnen) etc. Schamanistische Systeme gehen davon aus, dass alles beseelt ist, dementsprechend respektvoll wird der Umgang mit der lebendigen Natur gelebt.
Prinzipiell wäre es sinnvoller Schamanismus als Schamanentum zu bezeichnen, da dieser Weg sehr viel mit Brauchtum, mit kulturellem Erbe, mit handwerklichem Können etc. zu tun hat und aus dem schöpft, was jetzt da ist. Der Begriff Schamanismus hat sich weltweit mittlerweile als Überbegriff für die Naturheiltherapie und Ritualausübung naturverbundener Völker durchgesetzt, obwohl diese Bezeichnung ursprünglich aus dem Turgisischen stammt.
Auch bei uns ist Schamanismus/Schamanentum bekannt: Wender, Knochenrichter, Gesundbeter, Kräuterfrauen, das alte Heilwissen lebt noch immer und wird auch durch die UNESCO als „immaterielles Kulturerbe“ weltweit zusehends geschützt und gesammelt.

Das Erlebnis der Verbundenheit in der Zeremonie

Seit vielen Jahrtausenden begegnen wir Menschen einander in zeremoniellen Räumen und das in unterschiedlichstem kulturellem Setting auf diesem Planeten Erde.
Im Ritual schaffen wir ein Gefühl der Verbundenheit. Zwischen den Menschen, zwischen Mensch und Schöpfung sowie vom Menschen zur Nichtfassbaren Realität. Durch das kulturelle Setting wird es uns möglich, über die Sinne, die Elemente, das gemeinsame Einverständnis mit dem Geschehen einen Raum der Geborgenheit und der Entspanntheit zu kreieren, in der wir Verbundenheit zu erleben vermögen.
Wenn wir als Gemeinschaft Rituale abhalten, dann erfährt das Individuum seine Anbindung an das Gesamte, seine soziale Eingebundenheit in das Wir und letztendlich das Selbst, das sich in all dem widerspiegelt und manifestiert.
Seit meinem 19. Lebensjahr gehe ich sehr bewusst den Weg der Rituale. Mit den Tänzen der Azteken unter dem Wiener Stephansdom sowie auf dem Heldenplatz und alsbald mit den Inipi, den Schwitzhütten der Diné und Lakota, hat diese Reise begonnen. Seit 35 Jahren sind Rituale ein unschätzbarer Wert in meinem Leben, den ich mittlerweile schon seit mehr als 10 Jahren auch für andere öffne. Sei es in der Schwitzhütte oder in der Rolle der Zeremonienleiterin bei einer Hochzeit. Kindersegnungen habe ich ebenfalls bereits begleitet. Es ist jedes Mal zutiefst berührend ganze Familien und Freundeskreise in solch einem Setting, in dieser besonderen Verbundenheit zu erleben.
Von den Lakota habe ich gelernt, dass das Ritual den Kreis der Gemeinschaft stärkt, dass Rituale am schönsten in der Kreiskultur erlebbar sind. Diese Erfahrung kenne ich nun seit einigen Jahrzehnten.
Es ist doch so, dass wir Menschen zu viel Schönem befähigt sind, im Gemeinsamen, im Händereichen, von Angesicht zu Angesicht, auf Augenhöhe, mit unseren Stärken und Schwächen und allem was uns ausmacht.

Grundprinzipien schamanischer Arbeit

Im Zentrum der schamanischen Arbeit steht die Natur mit Ihren Kräften und Qualitäten. Es geht um die Rückverbindung und das Heil sein durch die Erkenntnis der Verwobenheit von allem was da ist. Eine wichtige Basis bildet auch das Eingebundensein in den Stamm, den Clan, die Lebenswelt, in der wir uns bewegen. Die Kreiskultur, die gerade in der Ritualarbeit gelebt wird, spielt hier ebenfalls eine gewichtige Rolle.
Die Natur schenkt uns das, was wir zum Leben und Wachsen brauchen. Sie schenkt uns Ihre Medizin, auch wir selbst sind Medizin, teilen (im besten Fall) unsere persönliche Medizin mit anderen und unserem Planeten mit seinen Bewohnern.
In der schamanischen Arbeit wirken wir mit den Kräften der Erde und kosmischen Einflüssen, den Himmelskörpern, die auf uns wirken. Die Qualitäten der Himmelsrichtungen, der Elemente, den Bausteinen des Lebens werden in die Ritual- und Heilarbeit mit einbezogen.
Die sogenannte „nichtreale Wirklichkeit“ mit Geisthelfern, Tier-, Pflanzen- und auch Steinwesen unterstützt uns in diesem Prozess. Alle präsentieren verschiedene psychologische Qualitäten bzw. Talente, die uns innewohnen. Wir entdecken nach und nach unsere persönliche Medizin, unsere Parallelen im Reich der Naturkräfte, mit deren Hilfe wir Kraft schöpfen und Kraft zu teilen vermögen.

Wie im innen so im außen, wie oben so unten. Makrokosmos fließt über in Mikrokosmos, alles untrennbar verbunden, bedingt eines das andere, im Kleinen wie im Großen.

Das Wort Schamane stammt aus dem Turgisischen und bedeutet etwa:

Der/Die durchs Feuer geht. Das heißt ein/e schamanisch Wirkende/r ist selbst durch einen tiefen Reinigungsprozess auf körperlicher/geistiger/seelischer/spiritueller Ebene gegangen. Dies wird als Initiation bezeichnet und befähigt ihn/sie Einblick in die Bedürfnisse ihrer/seiner Mitmenschen zu nehmen. Dieser initiative Prozess bewirkt auch eine Verfeinerung der Wahrnehmung. Schaman*innen hören, was viele nicht hören, sehen was unsichtbar scheint und so fort.

Schaman*innen und schamanisch Tätige arbeiten sehr häufig, vor allem im „therapeutischen“ Wirken, mit Hilfe von Tranceinduktion, d.h. es wird dabei ein besonderer Bewusstseinszustand herbeigeführt, in dem der Schamane/die Schamanin Informationen aus dem kollektiven und individuellen Bewusstsein zu schöpfen vermag.
Das Schamanentum bezeichnet aber nicht nur das Heilsystem eines Volkes, sondern spricht von der Anbindung an die irdischen und kosmischen Kräfte, die das Leben auf Erden und darüber hinaus gestalten. Es bezieht immer das Umfeld, in dem wir leben, die Menschen, den Platz und die Aufgaben, mit denen wir alltäglich zu tun haben, mit ein, um Harmonie zu bewahren oder bei Verlust wieder herzustellen. Nur wenn die Einheit und Harmonie mit diesen Kräften besteht, ist eine Gesellschaft und seine Umwelt gesund und stark.